supportolegale.org || la memoria e' un ingranaggio collettivo

[Diaz-Prozess] VI Verhandlungstag – Zusammenfassung

Sechster Verhandlungstag im Diaz-Verfahren, Hochsicherheitssaal des genuesischen Gerichtshofs.

Mit der Vernehmung der ersten Zeugen kommt der Prozess endlich in Gang. Bei den angehörten Zeugen handelt es sich um zwei Offiziere der Carabinieri, die am 23. Juli 2001 im Auftrag der Staatsanwälte Canepa und Canciani [1] die Spurensicherung in den Gebäuden der Diaz-Schulen-Komplexes [2] durchführten: Die Schule Pertini – bekannt als “die Diaz-Schule”-, und die Pascoli-Schule, in der das Genoa Legal Forum und das media center untergebracht waren.
Damals handelte es sich natürlich um Untersuchungen zum Zweck der Sicherstellung von Beweismitteln zu Lasten der 93 damals dort festgenommenen und später freigesprochenen Personen. Jenes im besagten Rahmen sichergestellte Material, also Fotos und Pläne der Gebäude, wurde nun aber Teil der gerichtlichen Beweisaufnahme im derzeit laufenden Verfahren gegen 29 Polizisten. Tatsächlicher Zweck dieser ersten Zeugenvernehmungen ist die amtliche Feststellung im Sinne der Prozessordnung, dass jenes Material tatsächlich auf jene Örtlichkeiten bezogen ist, die Schauplatz der Ereignisse waren, die das Verfahren begründen und die Definition der Räumlichkeiten sowie des Zustandes, in dem sie aufgefunden wurden.
Die Verhandlung wurde vom Rechtsanwalt Corini sogleich unterbrochen. Dieser ist Verteidiger von Gilberto Caldarozzi, der damals als Vize von Francesco Gratteri (heute Chef der Antiterrorpolizei und Mitangeklagter) in der zentralen Einsatzleitung im Amt war und vertritt zusätzlich vier weitere Offiziere im Mittleren Dienst. Corini forderte für die im Saal anwesenden Nebenkläger, die auf der Zeugenliste stehen, den Ausschluss aus der Verhandlung, weil noch nicht vernommene Zeugen bei anderen Vernehmungen nicht zugegen sein dürfen. Ein weiterer Paragraph sieht aber vor, dass die Nebenkläger das Recht haben, dem Prozess beizuwohnen.
Die Richter zogen sich in ihren Beratungsraum zurück. Schließlich verfügte der Vorsitzende Barone unter Hinweis darauf, dass die Anwesenheit von Nebenklägern später die Bewertung ihrer eigenen Aussage beeinflussen könnte, dass ebensolche zu entfernen seien [3]. Der einzige zu dem Zeitpunkt anwesende Betroffene, ein Nebenkläger für die Ereignisse in der Pascoli-Schule, verließ daraufhin den Gerichtssaal.
Anschließend erläuterte der erste Zeuge, der Oberfeldwebel Giuseppe Piritore, der die Spurensicherung in der Pertini-Schule durchführte anhand von über 150 Bildern betont leidenschaftslos die Beschaffenheit des Gebäudes und die vorgefundenen Schäden und Beweisstücke, darunter eine lange Reihe von “ Blutspuren”, Raum für Raum, Flur für Flur. Sofern es irgend möglich war, jenen leidenschaftslosen Ton des Vorgängers zu übertreffen, schilderte daraufhin der Oberfeldwebel Giacomo Russo die Räumlichkeiten der Pascoli-Schule.
Im Gegenverhör verlangte der RA Corini Rechenschaft über eine Liste von vorgefundenen Gegenständen, welche vermutlich dazu dienen sollen, die These der Anwesenheit von gewaltbereiten Personen in den Räumen des Genoa Legal Forums zu untermauern [4]: zwei Gasmasken, acht „aus Utensilien gewonnene“ Metallstangen, eine Tränengaspatrone, Ketten, einen mit der Schrift „Scheissbullen“ versehenen Helm... Der Zeuge bestätigt. Mit der nächsten Verhandlung am Mittwoch, den 9. November, wird die Vernehmung der Nebenkläger beginnen.

[Ende des Communiquès von Supportolegale]
Von SL-Berlin hinzugefügte Fußnoten und Anmerkungen:
[1] Das Duo Canepa und Canciani gehört zum staatsanwaltlichen Pool, der die Untersuchungen in Zusammenhang mit dem G8 durchführte. Es ergaben sich bald mehrere Ermittlungsstränge, Canepa und Canciani untersuchten dabei schwerpunktmäßig etwaige Verstöße durch Protestteilnehmer. Auch die Opfer des Überfalls auf die Schulen des Diaz-Komplexes wurden bis zum Freispruch 2004 als Täter behandelt. Derzeit führen die beiden Staatsanwälte die Anklage im Verfahren wegen Verwüstung gegen 25 Protestteilnehmer in Zusammenhang mit den Unruhen auf den Straßen. [2] Zum Schulen-Komplex und zum Geschehen in der Nacht vom 21. Juli siehe: http://germany.indymedia.org/2004/07/87073.shtml

[3] Es ist unklar, ob der Gerichtsvorsitzende tatsächlich verfügte, dass sich Nebenkläger zu entfernen hätten. Eine weitere Schilderung des Hergangs durch eine Person, die der Verhandlung beiwohnte besagt, dass das Richterkollegium verfügt hat, dass die Anwesenheit von Nebenklägern nicht grundsätzlich untersagt werden kann, wobei die Aussage von ebensolchen, sofern sie den Zeitpunkt ihrer Aussage vorausgehenden Verhandlungen beigewohnt haben, zu gegebener Zeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit einer Prüfung auf Güte bzw. Zulässigkeit auf Güte durch das Richterkollegium unterzogen werden wird. Jene, die parallel das ebenfalls in Genua laufende Verfahren gegen die 25 Protestteilnehmer verfolgen, können sich vermutlich nicht dem Gefühl entziehen, dass in den Gerichtssälen mit zweierlei Maß vorgegangen wird.

[4] Die Opfer der Gräuel in Schule und Kaserne mittlerweile wurden mit dem Urteil der Untersuchungsrichterin Ivaldi am 12.05.2003 von allen Beschuldigungen bis auf eine entlastet [Siehe: http://germany.indymedia.org/2003/07/56864.shtml ]. Auch für die letzte Beschuldigung kam es im darauf folgenden Jahr zum Freispruch. Es ging hierbei um den Vorwurf der Bildung einer Kriminellen Vereinigung. Die Untersuchungsrichterin befand hierzu schließlich, der Vorwurf der „Beteiligung an einer kriminellen Organisation […], die sich die Stadtverwüstung anlässlich des G-8-Gipfels zum Ziel gesetzt hatte“ könne nicht aufrecht gehalten werden. Das wichtigste Beweisstück in der Sache hatte sich als Beweisfälschung durch die Polizei entpuppt. Es handelt sich um zwei Brandflaschen, die nachweislich von der Polizei selbst in einem der Gebäude deponiert worden waren. Brandflaschen gelten nach italienischem Recht als Kriegswaffen. Es wurde versucht, den Schulinsassen den „kollektiven“ Besitz derselben zu unterstellen, um auf diesem Weg den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu untermauern. Der Fall mit den Brandflaschen ist neben den Gewaltakten und anderen Straftaten Gegenstand des Verfahrens gegen die 29 Polizeibeamten im Diaz-Verfahren. Die Politische Konspiration und damit auch Bildung einer subversiven und kriminellen Vereinigung in Zusammenhang mit den Ereignissen in Genua und wegen Protesten in Neapel wenige Monate vor dem G8 2001 werden derzeit 13 Personen, die größtenteils aus dem Süden Italiens stammen, im süditalienischen Cosenza vorgeworfen. Es handelt sich um ein weniger bekanntes, aber höchst umstrittenes Verfahren, das auf gewisse Weise ein „politisches“ Gegenstück zum Verfahren gegen 25 Protestteilnehmer in Genua darstellt, denen die Staatsanwalt die Begehung von einzelnen, konkreten Straftaten im Bereich der Beschädigung und der Entwendung von öffentlichen oder privatem Gut vorwirft. So wie im Verfahren gegen die 25 sieht das Gesetz auch im Verfahren in Cosenza bei etwaigem Schuldspruch sehr hohe Strafmaße vor.