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G8-Gipfel vor Gericht

Juristisches Verwirrspiel um die Repression in Genua 2001

von Anneke Halbroth mit Supporto Legale Genua
Bürgerrechte & Polizei/CILIP 83 (1/2006)

Seit dem G8-Gipfel in Genua im Sommer 2001 sind fast fünf Jahre vergangen, und geblieben sind nicht nur die Bilder von kraftvollen Protesten, sondern auch die Erinnerungen an einen Gipfel, der viel Polizeigewalt und Repression mit sich brachte.

Genua-Prozesse kommen ins Rollen

Steffen Sibler
http://www.rav.de/infobrief96/Sibler.html

Nachdem der G8-Gipfel in Genua vom Juli 2001 fast fünf Jahre zurückliegt, kommen nun die sich aus den Geschehnissen ergebenden Strafprozesse in Gang. Neben einem Verfahren gegen 25 italienische Aktivisten sind dies vor allem zwei große Prozesse gegen Polizisten und Gefängnisbedienstete, die den Überfall auf die „Diaz-Schule“ betreffen. Hier haben Anfang des Jahres auch zahlreiche deutsche Opfer und Zeugen ihre Aussagen gemacht.

Pressestimme: Ein unglaubliches Puzzlespiel

Tom Binger
aus: ak - analyse & kritik - Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 505 /

Prozesse gegen Polizeiverantwortliche beim G8-Gipfel in Genua "Bestimmte Bilder bleiben im Kopf. Vermutlich ein Leben lang." Mit diesen Worten umschreibt der 29 Jahre alte Mirco Sch. aus Oberhausen die traumatischen Erinnerungen an den Polizeiüberfall auf die Diaz-Schule in
Genua. Nach den spektakulären Protesten gegen den Weltwirtschaftsgipfel stürmte die italienische Polizei in der Nacht zum 22. Juli 2001 die Schule, in der G8-GegnerInnen aus verschiedenen Ländern ihr Quartier bezogen hatten.

[Diaz] Gratteri während des Überfalls in der Diaz

Seine Kleidung verrät ihn: ein Zeuge erkennt den elegant gekleideten Mann wieder.
Seit gestern sind internationale Beobachter in den genuesischen Gerichtssälen.

SIMONE PIERANNI
GENOVA, 06.04.06

Im genuesischen Gerichtssaal wird ein Video auf drei Bildschirmen gezeigt. Der Zeuge, ein deutscher Medienaktivist, geboren 1975, benennt eine Person genau: ein grosser Mann mit dunklem Anzug und hellem Hemd, Krawatte, Bart und Helm. Er sticht aus der Menge, der in die Schule eindringenden Polizisten heraus. Jener Mann ist der Angeklagte Francesco Gratteri, damals oberster Vorgesetzter der Sco(zentrale operative Einheit, Bereitschaftspolizei), dann Leiter der Antiterroreinheit und heute oberster Polizeichef in Bari. Der Zeuge erkennt ihn während seiner Aussage in Bezug auf den Überfall auf die Diazschule.

Glossar

- accusa -e Anklage, -, -n
- acquisire agli atti zu den Akten nehmen
- assoluzione -r Freispruch, -(e)s
emettere una sentenza
di assoluzione auf Freipsruch erkennen
"la sentenza e' di "Das Urteil lautet auf
assoluzione" Freispruch"
- atti Akten (pl)
- avvocato -r (Rechts)Anwalt, -s, -Anwälte

Presse: Bilder des Grauens « Vor Gericht: der Polizeiüberfall auf G8-Kritiker in Genua

15.03.06
Von Jens Herrmann, Genua
Quelle: http://www.nd-online.de/funkprint.asp?AID=87270&IDC=2&DB=

In der Nacht zum 22. Juli 2001 stürmte die italienische Polizei die Diaz-Schule in Genua. In dem Gebäude hielten sich Aktivisten auf, die an den Protestaktionen gegen den G8-Gipfel in der Stadt teilnahmen. Bei dem brutalen Überfall wurden über 60 Menschen verletzt. Im derzeit laufenden Verfahren gegen beteiligte Polizisten sagen auch Zeugen aus Deutschland aus.

Pressestimme: "Wir hatten wahnsinnige Angst"

AUS GENUA MICHAEL BRAUN
taz, 21.02.2005

"Scuola Diaz?" Die Beamtin im Justizpalast von Genua macht eine Kopfbewegung in Richtung Treppe: "Aula Magna." Großer Sitzungssaal also. Wo sonst sollte dieser Prozess stattfinden? Verhandelt wird gegen 28 Angeklagte, 93 Personen sind als Geschädigte aufgelistet, und die Bilder vom Tatort, von blutverschmierten Heizkörpern und Fußböden, von verwüsteten Klassenzimmern und auf Tragen gebetteten Schwerverletzten gingen im Juli 2001 um die Welt.

Zusammenfassung 26. Verhandlungstag

Genua, 14.02.2006

Ein Feuerwerk, wobei der Heimweg mit einem Teilerfolg in der Tasche angetreten werden konnte.

Den Höhepunkt des 26. Verhandlungstages am 14. Februar 2006 bildete der letzte Abschnitt, in dem die vergangene Woche vom Gericht erlassene, die Anzahl der Zeugen "kürzende" Anordnung diskutiert wurde. Davor wurden aber vier Zeugen vernommen.

Pressestimme: Diaz

Unter der Dusche massakriert

Il Mercantile
09.02.2006

Punk erzählt: sie haben mir einen Arm gebrochen, ich hatte ein Loch im Kopf und blutete.

"Sie hatten mir einen Arm gebrochen, ich hatte ein Loch im Kopf, Prellungen am ganzen Körper und ich blutete aus der Nase. Nach dem sie mich eingegipst hatten, haben sie mich unter eine Dusche gesteckt und mich geohrfeigt. Ich musste mein Blut, dass überall hin Spritzte von den Kacheln wegwischen, sonst hätten sie mich noch mehr geschlagen". So lautete das dramatische Zeugnis von R.P., einem jungen Mann aus Deutschland, der gestern Nachmittag im Verfahren wegen dem Einfall in die Diaz-Schule ausgesagt hat. Der ausgesprochen punkige junge Mann (mit einem gelben Irokesen, weswegen er zusätzliche Gewalt erlitten haben dürfte) war in der Schule von den Polizisten verletzt worden. Als man ihn ins Krankenhaus San Martino brachte, wurde er medizinisch versorgt. Er bekam einen Gips. Anschließend war er von den Beamten übernommen worden. Ob er gewusst habe, dass er verhaftet war, wollte Staatsanwalt Zucca von ihm wissen. "Nein, sie haben es mir nicht gesagt und ich war nicht in einer Verfassung, die es erlaubt hätte, dass ich sonderlich viel von dem, was vor sich ging, hätte begreifen können". Hinterher war P immer noch innerhalb des Krankenhauses San Martino in das, was er als einen Kellerverlies bezeichnete geführt worden. Dort wurde er jener gewalttätigen und erniedrigenden Behandlung unter der Dusche ausgesetzt. Geohrfeigt, wobei sein Blut in alle Richtungen spritzte. "Als sie mich aus der Dusche gezogen haben, sagte mir ein Polizist, dass ich mit niemandem mehr reden dürfe. Ich bin an einem weiteren Polizisten vorbei gegangen, der mir guten Tag gesagt hat, worauf ich aus Furcht nicht antwortete, da man mich geheißen hatte, nicht zu sprechen. Der sagte aber wieder einmal guten Tag, so habe ich auch guten Tag gesagt. Da hat mich der Polizist, der hinter mir war erneut geschlagen, weil gesprochen hatte". Das ist also eine von vielen Schilderungen von abgrundtiefer und radikaler Unmenschlichkeit, die aus den Erinnerungen der Zeugen hervorgehen, die der Staatsanwalt geladen hat.

[Diaz] Anordnungen und Urteile

Genua, 08.02.2006

Der Gerichtsvorsitzende Barone hat nach zwei Monaten Hauptverhandlung im Diaz-Verfahren eine Anordnung erlassen, mit der er die alleinige Anhörung solcher Zeugen erbittet, die über neue Sachverhalte zu berichten wissen oder über Vorfälle, die noch nicht zu den Gerichtsakten genommen wurden, unter Vorbehalt der Möglichkeit, die Zeugen in Bezug auf die erlittenen Verletzungen zu hören.

Zusammenfassung des 22. Verhandlungstags im Diaz-Verfahren

Ein schwarzer Tag für Canterini [1] , Fournier [2] und ihre 7. Einheit [3], deren ausschließliche Anwesenheit [4] durch 4 von 4 Zeugen bestätigt wird, die Schilderung eines versuchten Totschlags und die Bestätigung, dass Fournier (oder jemand, der ihm unheimlich ähnlich sieht) auf der ersten Etage war, als seine Männer die Leute massakrierten [5].

[Pressemitteilung] „Ich sah, wie die Polisten die Treppe hoch kamen. Danach, kann ich mich an nichts mehr erinnern“.

26.01.2006

„Ich sah, wie die Polisten die Treppe hoch kamen. Danach, kann ich mich an nichts mehr erinnern“. Die jungen Menschen, die in der Nacht des 21. Juli 2001 in der Diaz Schule massakriert wurden legen weiter ihre Zeugnisse ab. Nach dem dramatischen Zeugnis des britischen Journalisten Mark Covell, der in der gestrigen Verhandlung gehört wurde, haben heute vier junge Deutsche ausgesagt, die sich zum Zeitpunkt des Sturms auf die Schule alle auf der ersten Etage der Diaz-Pertini Schule befanden. A.K., die heute als Erste gehört wurde, schlugen die Polizisten der 7. Einheit der ersten Abteilung des römischen Reparto Mobile mit direkt auf das Gesicht gerichteten Schlagstockschlägen du Tritten gegen den Kinn sechs Zähne aus.

[Bolzaneto] Zusammenfassung des 21. Verhandlungstags im Diaz-Verfahren

Die Niederschlagung des Mark Covell, aka Sky, die pathetischen Versuche der Verteidigung der Canterini-boys [1] und die Wiederlegung der Argumente selbiger durch die nachfolgenden Zeugen.

Zusammenfassung des 21. Verhandlungstags im Diaz-Verfahren am 25. Januar 2006

Bolzaneto: Pressestimme

La Repubblica, 25.01.2006

Rubrik: Il Lavoro

von: Marco Preve

Erste Zeugenaussagen: Sie haben uns beschimpft und geschlagen.
Gewalttaten in Bolzaneto - Die Stunde der Wahrheit
Das Verfahren

[Pressemitteilung] [Diaz-Verfahren] Die dramatische Zusammenschlagung von Mark Covell

Die Aussagen des britischen Journalisten und Medienaktivisten Marc Covell, der am 25. Januar 2006 während des einundtzwanzigsten Verhandlungstags im Diaz-Verfahren gehör wurde, waren klar und präzise.

[Diaz] Erstes Video im Diaz-Verfahren

Genua, 11.01.06

Verhandlungsmarathon mit Filmvorführung. Die Vernehmung von drei Zeugen dauert von 10 bis 18 Uhr, zwischendurch werden die Bilder eines Videos in Augenschein genommen.

Erster Zeuge war William Hayton, ein BBC-Journalist, der sich in Genua aufhielt, um über die Proteste zu berichten und auf der Etage, auf der Indymedia arbeitete, sein Aktionsquartier eingerichtet hatte. Als die Polizei ankam, war er sich ziemlich sicher, dass sein offizieller Journalistenpass mit Akkreditierung für die Rote Zone ausreichen würde, um dem Schlimmsten zu entgehen, er stellt aber bald fest, dass die Antwort der Beamten eine ?klare und direkte? Anweisung ist, das Handy nicht noch einmal klingeln zu lassen, weil es andernfalls eine kreative Umsetzung eines Schlagstockeinsatzes seitens der Anwesenden geben würde. Seinem Kollegen, der es wagte, Protest anzumelden, erging es schlechter, er wird geschlagen un in einen anderen Bereich der Pascoli-Schule gebracht, während Hayton, nachdem er freigelassen wurde, eine Runde in der Schule gegenüber drehte und die Schäden im Media-Center abschätzte, wobei ihm auffiel, dass sie sich vor allem in den Rechtshilferäumen der Anwälte konzentrierten. Aus seiner Aussage geht ein Element deutlich hervor, durch das ein weiteres Element, das von der Verteidigungsstrategie des Anwalts Corini & Co. angeführt wird zusammenbricht: Die Polizisten sind bei ihrer Amateurhaften Durchsuchung sehr froh gewesen, Gasmasken und schwarze Kleidungsstücke zu finden, aber auch ich besaß eine solche, weil es allen klar war, dass die Polizei in jenen Tagen Tränengas einsetzen würde?. Hoffen wir, dass die Unterstellungen von Corini & Co. bezüglich des Vorhandeneins solcher Gegenstände in der Pascoli-Schule mit diesen Worten ein für alle mal ein Ende hat.

[Diaz-Verfahren] 12. Verhandlungstag

Genova, 24.11.2005

„Das Vorbeifahren eines Streifenwagens [1] war eine Provokation“

Die heute gehörten Zeugen waren zur Zeit des Polizeisturms in der Nacht vom 21. Juli 2001 beide in der Pascoli-Schule zugegen.

[Diaz-Verfahren] 11. Verhandlungstag

Genova, 23.11.2005

Eine Zeugin beobachtete, wie Mark Covell [1] zusammengeschlagen wurde: „Er sah wie ein Spielkegel aus“

Es sind zwei Zeugen, die heute im Hochsicherheitssaal des Gerichts in Genua beim 11. Verhandlungstag des Prozesses für die Ereignisse zwischen dem 21. und dem 22. Juli 2001 in der Diaz Schule gehört wurden.

[Pressemitteilung] Diaz: Erste Wiedererkennungen – “Sie haben sich umgedreht”

Genua, den 17.11.2005

Zehnter Verhandlungstag im Prozess gegen 29 wegen Koerperverletzung, Verleumdung und Beweisfaelschung angeklagte Mitglieder der Ordnungskraefte infolge der Razzia in den Gebauden der Schule Diaz.

[Pressemitteilung] Diaz: “Das ist euer letzte G8”

Genua, den 16.11.2005

Neuenter Verhandlungstag im Prozess gegen 29 wegen Koerperverletzung, Verleumdung und Beweisfaelschung infolge der Razzia in den Gebauden der Schule Diaz angeklagte Mitglieder der Ordnungskraefte.

[Pressemitteilung] Diaz: Mit der ersten Zeugenaussage kommt das Prozess im Gange

Genua, den 9.11.2005.

Im Hochsicherheitssaal des genuesischen Gerichtshofs gegenueber dem ersten Kollegium der ersten Strafabteilung, Vorsitzender Richter Barone, hat heute morgen L.Z. ausgesagt. Sie ist eine der 93 von der Polizei massakrierten Personen bei der Stuermung der Diaz-Schule in der Nacht vom 21. zum 22. Juli 2001.

[Bolzaneto-Verfahren] Zweiter Verhandlungstag

[Pressemitteilung Supportolegale]

Die häufigste Frage, die heute im genuesischen Schwurgericht aufkam, wo vor der dritten Strafkammer die zweite Verhandlung im Bolzaneto-Verfahren abgehalten wurde, lautete: "Aber das Cirielli-Gesetz [1] ist es bereits ratifiziert worden?". Alle Anwesenden hatten nämlich das Gefühl, dass die Verhandlung am heutigen Vormittag eher ein langes Warten sei. Langes Warten, wegen den unendlichen Beratungen des Kollegiums im Richterzimmer: eine halbe Stunde des Wartens, um über einen banalen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu befinden, der dann abgewiesen wurde, weil eine notariell beglaubigte Unterschrift fehlte, dann weitere zweieinhalb Stunden (!) um zwei vom Anwalt Onofrio erhobene Einsprüche wegen Nichtigkeit zweier Bescheide an die Adresse seiner Mandanten.

[Diaz-Prozess] VI Verhandlungstag – Zusammenfassung

Sechster Verhandlungstag im Diaz-Verfahren, Hochsicherheitssaal des genuesischen Gerichtshofs.

Mit der Vernehmung der ersten Zeugen kommt der Prozess endlich in Gang. Bei den angehörten Zeugen handelt es sich um zwei Offiziere der Carabinieri, die am 23. Juli 2001 im Auftrag der Staatsanwälte Canepa und Canciani [1] die Spurensicherung in den Gebäuden der Diaz-Schulen-Komplexes [2] durchführten: Die Schule Pertini – bekannt als “die Diaz-Schule”-, und die Pascoli-Schule, in der das Genoa Legal Forum und das media center untergebracht waren.

G8-Prozess in Genua [tagesschau 13.10.05]

G8-Prozess in Genua
45 Polizisten wegen Misshandlungen angeklagt

Vier Jahre nach den blutigen Ausschreitungen am Rande des G8-Gipfels in Genua, bei denen der Student Carlo Giuliani erschossen wurde, hat der Prozess gegen 45 italienische Polizisten, Soldaten und Militärärzte begonnen. Sie sollen festgenommene Demonstranten, darunter auch Deutsche, misshandelt haben.

Die G8-Prozesse fahren nach der Sommerpause wieder fort

Im Gerichtshof von Genua wird der Prozess gegen die 25 DemonstrantInnen fortgeführt (Beginn März 2004). Die Anklage lautet Zerstörung und Plünderung. Es wird die 58. Verhandlung sein und ein wichtiger Zeuge wird angehört werden. Es handelt sich um den Major Claudio Cappello, der während der Ereignisse im 2001 Hauptmann der Carbinieri war und die Abteilung CCIR ("entscheidende Abteilung zur Beherrschung und Intervention") leitete, welcher Plancanica (der angebliche Schütze und Mörder von Carlo Giuliani) unterwiesen war. Die Arbeit der Anwälte und des Sekretariats wird darin bestehen, die Ereignisse der Piazza Alimonda minutiös zu rekonstruieren, auch in Anbetracht der Aussageverweigerung seitens der Ordnungskräfte, um die vielen Unklarheiten, die Carlo Giulianis Tod umgeben, zu klären.

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