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[Bolzaneto-Verfahren] Zweiter Verhandlungstag

[Pressemitteilung Supportolegale]

Die häufigste Frage, die heute im genuesischen Schwurgericht aufkam, wo vor der dritten Strafkammer die zweite Verhandlung im Bolzaneto-Verfahren abgehalten wurde, lautete: "Aber das Cirielli-Gesetz [1] ist es bereits ratifiziert worden?". Alle Anwesenden hatten nämlich das Gefühl, dass die Verhandlung am heutigen Vormittag eher ein langes Warten sei. Langes Warten, wegen den unendlichen Beratungen des Kollegiums im Richterzimmer: eine halbe Stunde des Wartens, um über einen banalen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu befinden, der dann abgewiesen wurde, weil eine notariell beglaubigte Unterschrift fehlte, dann weitere zweieinhalb Stunden (!) um zwei vom Anwalt Onofrio erhobene Einsprüche wegen Nichtigkeit zweier Bescheide an die Adresse seiner Mandanten.

Das wahre Warten aber zumindest seitens der Anwälte der Verteidigung und, vielleicht sogar selbst des Richterkollegiums gilt aber der Ratifizierung des ehemaligen Cirielli-Gesetzes (salva-Previti), das dieses Verfahren voll und ganz hinfällig machen wird [2]. Am Ende eines Redebeitrags des Anwalts Vaccaro, Verteidiger des Arztes Toccafondi[3], über die Schwierigkeiten und
die Kosten für das Gericht und das Gemeinwesen, dieses Verfahren fortzuführen, sagte dieser, dass das Verfahren "mit Freisprüchen und Verjährungen enden wird", woraufhin dem Gerichtsvorsitzenden der Kommentar hinausrutschte: "Davon sind wir alle überzeugt". (Eine Originalaufnahme in italienischer Sprache kann hier abgerufen werden:
https://supportolegale.org/public/audio/bolza_02udienza/vaccaro_delucchi.mp3).

Selbst wenn man diesen Satz lediglich auf die Verjährungsproblematik beziehen wollte, spricht er dafür, wie die geamte Verhandlung auch, dass dieser Prozess nichts als eine Farce ist, und dass das Richterkollegium nichts unternehmen wird, um diese Zustände zu ändern.

Einen der Sache würdigen Ausgang lieferte die Festlegung der nächsten Verhandlungstermine: Diese sind für den 24. November, den 1., 15 und 22. Dezember vorgesehen und damit weit davon entfernt, den Anträgen der Staatsanwälte und der Anwälte der Nebenklage entgegenzukommen, welche um die Festlegung von zwei Terminen pro Woche gebeten hatten. Zwei der vier festgelegten Termine überschneiden sich zudem mit Verhandlungen im Diaz-Verfahren. Die Verhandlungen werden in einem für den Zweck nicht geeigneten Raum stattfinden. Sie werden zudem voraussichtlich durch Einsprüche der Verteidigung, Vertagungen und Zeitverbummelungen aller Art hinausgezögert werden, während man wartet, dass das Cirielli-Gesetz greift.

Anm. SupportoLegale Berlin:

[1] Laut Beschluss der Fraktionsvorsitzenden des italienischen Parlaments soll am 8. und 9. November ebendort über das Gesetz entschieden werden. Ein Bericht vom Tagesspiegel zum Gesetz hier
http://www.poppress.de/Politik/Nachrichten/Nachricht_lesen/g/3516167.html

[2] Für die Opfer und Nebenkläger sind es besonders niederschmetternde Worte.
Allerdings ignorieren die Herren, die auf Verjährung und Freispruch setzen und mit ihrer Haltung die Opfer und Nebenkläger wahrscheinlich sehr frustrieren und verunsichern, dass es nach den Wahlen zu einer erneuten Änderung der gesetzlichen Lage kommen könnte. Mittelinks hat gute Chancen und es wird von einer solchen Regierung immerhin schon recht dezidiert erwartet, dass sie diesbezüglich handelt und das Gesetz Rückgängig macht) Der Europarlamentarier Vittorio Agnoletto hat zudem längst angekündigt, dass es ein Nachspiel bzw eine Fortsetzung der Verfahren gegen die Polizei wegen Diaz und Bolzaneto vor dem Europäischen Gerichtshof kommen wird, falls die Angeklagten auf italienischem Territorium doch noch davon kommen sollten. Das sehen zumindest Nebenkläger in Italien anscheinend auch so.

[3] Toccafondi ist der Mann, der als "Der Arzt im Tarnanzug" traurige
Berümtheit erlangte. Er tat sich in der Riege der Peiniger der
Bolzaneto-Insassen ganz besonders hervor und hält folgerichtig den Rekord an
Vorwürfen gegen eine einzelne Person im Verfahren.

[SupportoLegale]