Genua, den 9.11.2005.
Im Hochsicherheitssaal des genuesischen Gerichtshofs gegenueber dem ersten Kollegium der ersten Strafabteilung, Vorsitzender Richter Barone, hat heute morgen L.Z. ausgesagt. Sie ist eine der 93 von der Polizei massakrierten Personen bei der Stuermung der Diaz-Schule in der Nacht vom 21. zum 22. Juli 2001.
Die lange Aussage von L. verlaeuft fast 4 Stunden lang klar und praezise und bietet wenig Raum fuer die zahlreichen Einwaende der Verteidigung. L. erzaehlt, dass sie zusammen mit ihrem Freund in der Diaz-Schule angekommen sei; er war im Laufe des Tages nach dem Ende des Demonstrationszueges ohne Anlass von der Polizei bereits verpruegelt worden, was sie gezwungen hatte, sich an die Notaufnahme zu wenden. Darum, anstatt am gleichen Abend zu verreisen, hatten sie entschieden, “in einem ruhigen Ort†zu uebernachten. Aber wenige Minuten spaeter kommt die Polizei an, L. sieht vom Fenster auf dem zweiten Stock, wie sie massenweise ankommen.
Sie und Niels sind sehr erschrocken, laufen bis auf die letzte Etage der Schule und verstecken sich in einen Kammer. Sie bleiben dort mit erhobenen Haenden, und hoeren dabei die schweren Schritte der Polizeistiefel sich naehern. Als sie entdeckt werden, werden sie herausgezogen und wild geschlagen: L. wird mit Schlagstoecken auf Kopf und Ruecken geschlagen, sie faellt auf den Boden, bekommt weitere Schlaege und spuert, wie ihre Rippen zerbrechen, sie wird hochgezogen und gegen die Wand geschleudert.
Dann wird sie auf den Bauch die Treppe hinuntergezogen, dabei bekommt sie immer noch Tritte und Schlaege. Danach wird sie an den Haaren hochgezogen, weitere Treppen hinuntergezerrt, weitere Tritte auf den Ruecken und auf die Beine. Sie ist nicht mehr in der Lage aufzustehen und wird auf zwei weitere auf dem Boden liegenden Menschen geworfen. Sie faellt in Ohnmacht und als sie wieder zu sich kommt, erinnert sie sich neben dem unertraeglichen Schmerz der zerbrochenen Rippen (die ihre Lungen perforiert haben) deutlich daran, dass zahlreiche Polizisten vorbeigehen und anhalten, um auf sie zu spucken.
Eine unendliche Zeit, waehrend dessen hat sie die Gelegenheit, weitere blutende am Boden liegende Personen zu sehen. Endlich kommen die Sanitaeter, sie tragen sie auf einer Bahre aus der Schule hinaus und von dort zur Notaufnahme des Krankenhauses San Martino. L. wird im Krankenhaus 11 Tage verbringen, von denen die ersten drei in Gewahrsam, von der Polizei bewacht. L. hat schwere Verletzungen erlitten und traegt davon permanente Schaden: ihre Lungenkapazitaet ist um 30% geschrumpft, sie hat Atemschwierigkeiten und kronische Schmerzen am Ruecken und an andere Koerperteile. Waehrend der Gegenbefragung des RA Romanelli (Verteidiger von Canterini) erkennt L. zweifellos die Polizei-Uniform fuer oeffentliche Ordnung, mit dem Detail des dunklen Guertels, der die VII Gruppe der roemischen Bereitschaftspolizei I, die von Vincenzo Canterini geleitet wird kennzeichnet.
Mit der dramatischen so wie detallierten Aussage von L. wird der erste Stein fuer die Rekonstruktion des Massakers in der Diaz-Schule gelegt.
Naechster Verhandlungstag: Mittwoch, der 16. November.