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[diaz] Der kranke PolizistEin Fall wurde im soeben eröffneten Diaz-Vorverfahren abgekoppelt und zum 20. Juli vertagt, weil der Beschuldigte derzeit in einem Krankenhaus liegt - im künstlichen Koma nach einem Motorradunfall. Der wenige Tage vor Beginn der Vorverhandlungen verunglückte Polizist, der in Rom als Leiter der Raubüberfallbekämpfungsgruppe der Bereitschaftspolizei arbeitet, ist ein gewichtiger Zeuge, weil er 2002 als erster gegenüber den ermittelnden Staatsanwälten zugab, dass die Molotow Flaschen, deren Besitz den Schulinsassen per Verhaftungsprotokoll untergeschoben werden sollte, auf ganz anderem Weg in die Schule kamen - durch Polizistenhand Bis zum Juni 2002 war der Name Troianis in keiner Aussage und in keinem Protokoll aufgetaucht und seine Unterschrift gehörte auch nicht zu denen, die das Beschlagnahmeprotokoll besiegelten, in das diese Flaschen als Teil eines angeblichen Arsenals der Demonstranten so aufgeführt wurden, dass zunächst alle 93 Schulinsassen der Bildung einer kriminellen Vereinigung bezichtigt wurden. Doch ist er es wohl gewesen, der die Flaschen in das Gebäude brachte. Als Troiani in die Bredouille kam, nahm er sich keinen Geringeren als den ehemaligen Justizminister Biondi zum Anwalt. Dieser ist Parlamentarier und hat als solcher besondere Rechte. Von diesen Sonderrechten machte er gleich zu beginn der zum 3. Juli angesetzten zweiten Sitzung im Vorverfahren zum Prozess gebrauch: die Verhandlungssitzung wurde kurzfristig vertagt, weil Biondi zu einem EU-Termin musste. Die Geschichte des kurz vor Beginn der Vorverhandlungen im Fall Diaz verunglückten Polizisten Di Bernardini steht exemplarisch für das Lügengeflecht, das sich durch die gesamte Diaz-Affäre zieht. Sein Name steht in Verbindung mit mindestens zwei spektakulären Enthüllungen I, Laufe der sehr schwierigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Fall Diaz. Nach wie vor gilt, dass nur ein Bruchteil des Geschehenen überhaupt strafrechtlich Folgen haben wird und dass eine politische und gesellschaftliche Aufarbeitung gänzlich ausfällt obwohl Genua für weltweite sehr bedenkliche Trends in der Sicherheitspolitik der Staaten steht. Die blanke Gewalt, die jeder mit der Diaz-Schule assoziiert, wird im Einzelnen nicht bestraft werden, so viel steht fest. Die Polizei und weitere italienische Institutionen mauerten im Endergebnis also doch weitgehend erfolgreich - die Schlägertrupps werden ungeschoren davon kommen, soweit es Verfahren gab, hat die Staatsanwaltschaft mangels Identifizierbarkeit der einzelnen Täter die Einstellung der selben beantragt. Den Schwerpunkt im Diaz- Verfahren werden nun viel mehr die Lügen bilden, mit denen die Polizeiaktion zuerst begründet und dann wegen ihrer Gewaltsamkeit gerechtfertigt werden sollte, als die bestialische Prügelattacke. Der Verlauf der Ermittlungen zur Molotowinszenierung spricht Bände. Erst 10 Monate nach den Ereignissen im Juli 2001 kommt Bewegung in die unbequeme Untersuchung, die sich für die ermittelnden Staatsanwälte von Anfang an als ein einziger Hürdenlauf erweist: die Polizei und der Staat mauern durch und durch - woran sich drei Jahre lang nichts ändern wird - die Identifizierung von Vorgängen, Tätern und sicherheitspolitischen Verantwortlichen wird stark erschwert; die meisten Medien schweigen, Widersprüche und unbequeme Fragen werden (mit einigen Ausnahmen) in der Berichterstattung eher glattgebügelt oder gänzlich ausgeblendet uns selbst die Vernehmung der Zeugen gestaltet sich äußerst hürdenreich, um ganz zu Schweigen von den Angriffen auf die Staatsanwaltschaft seitens der Regierungsparteien (Gianfranco Fini voran), die ebenfalls von den Median transportiert und aufgegriffen werden. Zahlreiche Opfer des Überfalls sind Menschen, die im Ausland leben. Viele können nur in den jeweiligen Heimatländern vernommen werden, weil sie mit Einreiseverboten in das italienische Land belegt sind, es gibt Sprachbarrieren und auch andere Probleme: das Trauma macht es für viele Opfer schwer, über das Erlebte zu sprechen, darüber hinaus lehnen einige von ihnen aus Prinzip jede Aussage gegenüber der Justiz ab. Die eigentliche Wahrheit ist längst in unzähligen Betroffenen- und Medienberichten aus der Zeit der Ereignisse festgeschrieben. Die skandalösen Vorkommnisse sind daher umfangreich dokumentiert - aber auf strafrechtlicher Ebene zählt nur die eidliche Aussage, und die ist Schwer zu kriegen. Die Staatsanwälte wälzen amtliche Unterlagen und sondieren jedes Detail im eher spärlichen und extrem widersprüchlichen Redefluss der zur Sache vernommenen Personen. Sie vergleichen Berge von einzelnen Sätzen aus allen möglichen Vernehmungsprotokollen, sie suchen nach Widersprüchen und sammeln Indizien. Im Frühsommer 2002 stoßen sie auf ein Dienstvermerk über die Auffindung von zwei Molotow Flaschen in Zusammenhang mit Auseinandersetzungen am Vortag des Überfalls auf die Schule irgendwo in der Stadt. Das Fehlen eines Beschlagnahmeprotokolls macht sie stutzig. Die ermittelnden Staatsanwälte beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen. Ein seidener Faden, der sie aber auf die richtige Spur bringen wird - durch die Vernehmung des Vizepolizeipräsidenten von Gravina di Puglia (Provinz Bari, Apulien) Pasquale Guaglione. Am 10. Juni 2002 erkennt Pasquale Guaglione die Flaschen, die in der Asservatenliste mit den in der Diaz Schule beschlagnahmten Gegenständen angeführt werden als die selben, die er mehr als 24 Stunden vor der Operation in der Schule im Gebüsch auf einem Beet im Corso Italia aufgelesen hatte. Er gibt auch zu Protokoll, dass er die Flaschen irgendwann in ein Fahrzeug der römischen Squadra Mobile (Mobile Einheit - eine Art Bereitschaftspolizei) deponierte. Nun wissen die Staatsanwälte, dass die Flaschen in dem römischen BPA-Jeep auf die Reise gingen. Nicht etwa in die Asservatenkammer, sondern in die Diaz-Schule. Es ist die erste handfeste Spur, die zur Truppe des nun ebenfalls angeklagten Vincenzo Canterini führt, der jene Einheit leitete, zu der das Fahrzeug gehörte, in welches Guaglione die Flaschen deponierte. Parallel kommt über andere Indizienketten der Verdacht auf, dass auch bestimmte Vorfälle, die als Vorwand dienten um die Schule zu stürmen frei erfunden waren und dass die Verantwortlichkeiten auf höchster Ebene liegen. Als Begründung für den Einsatz in der Diaz-Schule war ein ursprünglich offenbar von Massimiliano Di Bernardini angezeigter, aber tatsächlich nie erfolgter Angriff mit Steinwürfen auf Polizeiautos vorgegeben worden. Die Fragen, mit denen sich die Staatsanwälte in diesem Frühsommer 2002 beschäftigen lauten: Wer türkte die Karten in der chilenischen Nacht? Wer wusste außer Di Bernardini dass es gar keinen Steinhagel auf Polizeiautos gegeben hatte? Handelten Beamte später gezielt, um künstliche Beweise zur Untermauerung der Einsatzbegründung zu produzieren? Welcher Polizeihandschuh deponierte die beiden Brandflaschen aus dem Beschlagnahmeprotokoll fein säuberlich im Schuleingang? Der erste Beamte, der in der Molotowangelegenheit von den Aussagen Guagliones eingeholt wird, ist der jetzt verunglückte Di Bernardini. Die Staatsanwälte haben den Angehörigen der Abteilung organisiertes Verbrechen im römischen Polizeipräsidium schon wegen der (zu dem Zeitpunkt noch zu beweisenden) Lüge im Visier. Bei der Vernehmung konfrontieren ihn die Staatsanwälte mit der Tatsache, dass zwei Polizisten angegeben haben, dass "die beiden Molotows" ihrer Erinnerung nach "in den Händen des Vizepolizeipräsidenten waren, der als erster den Steinhagel vor der Diaz-Schule angezeigt hatte" (die Angelegenheit, wegen der bereits in Schwierigkeit ist, weil auch dieser Steinhagel gelogen war) - in seinen Händen, also. Als er wegen den Brandflaschen in Bedrängnis kommt, belastet er weitere Polizisten. Er gibt detaillierte Aussagen zu Protokoll, die sich mit den Angaben Guagliones decken und/oder diese ergänzen. Die brisanteste Aussage ist, dass er einen "römischen Polizisten" von der Bereitschaftspolizei, den er konkret benennt, IM INNEREN der Schule mit den in einer Plastiktüte verhüllten Flaschen in der Hand gesehen haben will. Damit ist Di Bernardini ist der erste, der an dem Einsatz in der Diaz Schule beteiligt war, der zugibt, dass der Weg der Flaschen ein anderer gewesen, als in den Polizeiberichten angegeben. Und er bringt den misteriösen Römer ins Gespräch, von dem die Staatsanwälte bis dahin nichts wussten. Der besagte römische Polizist ist Pietro Troiani, der selbe, der schon am Vortag in dem Jeep saß, in dem die Molotows lagen. Es ist der Anfang von der Spur auf der die Staatsanwälte in der Molotow-Affäre den Roten Faden finden werden, der sie bis hin zur Anklage gegen die jetzt vor Gericht erscheinenden Beamten und eben zur Identifizierung des Vizequästors Pietro Troiani als denjenigen, der die Flaschen im Gebäude deponierte fühert. Pietro Troiani - der gar nicht hätte in der Diaz Schule sein sollen. In Genua war er der logistischen Einsatzkoordination unter Leitung des Generals Donnini - der auch in dem Jeep kutschiert wurde, in den am 20. Juli auf dem Corso Italia die Molotows deponiert wurden. Troianis Rolle im logistischen Koordinationsstab ist die des Kontaktbeamten zwischen dem Polizeipräsidium und den Bereitschaftspolizeien in den einzelnen Einsatzgebieten. Er gehört also gar nicht zu der vom ebenfalls wegen der Diaz angeklagten Vincenzo Canterini angeführten Einsatzmannschaft, die zur Diaz Schule geschickt wird. Trotzdem kennt er die Truppe - und vor allem ihren Leiter gut: Canterini hat ihn in eben dieser Truppe geformt, er ist eine Art polizeitechnischer Ziehvater Troianis. Der römische Polizist gehörte noch wenige Monate vor dem G8 der Canterini-Truppe an. Nur will sein Meister - der selbst unter Druck ist, es findet gerade der Versuch statt, alle Verantwortung auf seine BPA -Truppe abwälze, obwohl weit mehr als nur seine Leute in der Schule waren - nichts von ihm wissenlässt seinen Schüler im Stich, er distanziert sich. Als er telefonisch um ein Statement zu den neuen Entwicklungen gebeten wird, antwortet er: "Ach was? Troiani? Was hat der denn da überhaupt gesucht? Sicher war er nicht bei mir und meinem Befehlsstab. Gott sei Dank klären sich die Dinge langsam auf. Wenigstens wird man nicht sagen, dass er zu den Meinen gehörte". In der Zeit vom 17. Juni bis zum 4. August Vernehmen die Staatsanwälte am laufenden Band. Erstmals wird auch Pietro Troiani vorgeladen, hier noch als Zeuge. Es ist der 1. Juli 2002. Bei der Vernehmung erklärt er wo und wie er die Flaschen gesehen hat: "Mein Fahrer Michele Burgio kommt auf mich zu und erzählt, dass im Auto oder in der unmittelbaren Umgebung zwei Molotows gefunden wurden. [...] Ich habe die Flaschen dem Dottor Massimiliano Di Bernardini gebracht und bin dann gegangen". Di Bernardini hat aber gesagt, dass er ihn mit dem Beutel im Inneren der Schule gesehen hat - dort, wo sie vor der inszenierten Auffindung deponiert wurden. Troiani verlässt die Staatsanwälte drei Stunden später, die Staatsanwälte verabschieden ihn mit der Empfehlung, sich rechtlichen Beistand zu verschaffen. Am 4. Juli wird Burgio gehört, der Fahrer des Magnum-Jeeps, auf dem Stabsbeamte kutschiert wurden. Von ihm erfahren die Staatsanwälte, dass der Leiter des logistischen Koordinationsstabes Donnini am 20. Juli am Ort der Auffindung der Molotows war: "Als der Dottor Donnini eingetroffen ist, habe ich ihn darauf aufmerksam gemacht, dass es diese Flaschen gab und er hat sich mir in erregtem Ton zugewandt, als hätte ich eine dumme Frage gestellt [...]" Der Finder der Flaschen Guaglione wird die Aussagen Burgios in vollem Umfang bestätigen. Danach bat er vergeblich seinen Vorgesetzten Donnini um Anweisung, was mit den Flaschen zu tun sei. Für Donnini gibt es deswegen keine Konsequenzen. Wohl aber für Troiani. Dieser gerät durch die Aussagen Burgios zur Diaz Schule immer tiefer in die Bredouille. Burgio sagt über ihn aus: "Vor der Schule herrschte ein Großes Durcheinander... Nach einer Weile habe ich einen Anruf vom Dottor Troiani bekommen, der mir gesagt hat, dass ich diese Sachen, die wir gefunden hatten, herbringen sollte und er meinte dabei die beiden Flaschen. Ich habe den Beutel genommen und dann habe ich mir einen Weg durch die Menge gebahnt... ich habe den Inspektor Tucci erkannt, der mein Gruppenführer gewesen war. Ich habe ihn gefragt, wo Troiani zu finden sei und er hat ihn mir gezeigt; [...] ich erinnere mich, dass er im Gespräch mit zwei weiteren leitenden Beamten war [...] in der Tat kann es sein, dass ein erster Funktionär, an den sich Troiani unter Vorführung des Beutels gewendet hatte, diesen mitgenommen und sich mit anderen Beamten verständigt hat". Sechs Tage später erkennt Burgio den besagten Beamten auf einem Foto. Es ist Massimiliano Di Bernardini. Gegen vier Journalisten, von denen je zwei für die Tageszeitungen Repubblica und il Secolo XIX arbeiten, wird Anzeige erstattet, weil sie Auszüge aus den Vernehmungsprotokollen veröffentlicht haben. Burgio tritt binnen kurzer Zeit aus der Polizei aus. Es heißt, das Klima in seiner Kaserne sei für ihn unerträglich geworden. In einem Interview teilt er mit: "Ich glaube an bestimmte Werte und Verhaltensformen, die wie mir scheint in der Polizei heutzutage nicht mehr existieren" und sieht sich rückblickend als ein von den Vorgesetzten missbrauchter Untergebener. Am 9. Juli ist wieder Troiani an der Reihe - dieses Mal als Beschuldigter - Er gibt zu Protokoll: "Ich nehme zur Kenntnis, dass Burgio der Justizbehörde gegenüber erklärt hat, dass er einen Anruf von mir bekommen hat, bei dem ich ihm wörtlich gesagt haben soll, `diese Sachen´ herzubringen". Weiterhin sagt er: "Ich glaube, dass es möglich sein könnte, dass jemand mir bevor ich das Polizeipräsidium auf dem Weg zur Diaz Schule verließ, etwas von der Anwesenheit der Flaschen erzählt hat [...] ich sagte zu Di Bernardini, dass diese Flaschen im Fahrzeug waren [...] und Di Bernardini sagte mir, dass ich sie herbringen lassen sollte, ich Glaube, dass vorne auch Caldarozzi dabei war. Als ich die Flaschen gebracht habe, hat er mich gefragt, wo ich sie denn gefunden hätte und ich habe gesagt, dass sie im Hof oder in der unmittelbaren Umgebung der Stufen zum Eingang lagen. Das war meine Leichtfertigkeit und ich bin mir bewusst, dass ich diese los werden wollte, statt ein Beschlagnahmeprotokoll zu schreiben... ". Wo die Staatsanwälte auch nur hinsehen, überall türmen sich die Widersprüche in den Aussagen der Polizisten. Doch hat Troiani immerhin irgendwie eingeräumt, dass er die Flaschen auf den Hof bringen ließ und dass er sie leitenden Beamten vor Ort weitergab. Imkmerhin zeichnet sich ab, auf welchem Weg die Flaschen den Schulinsassen untergejubelt wurden. Die Prüfung der Verbindungsnachweise der Handys Burgios und Troianis bestätigt, dass sie drei Mal telefonierten, um 00.34, um 00.52 und um 00.59 Uhr. Die ermittelnden Staatsanwälte werden mit Hilfe von weiteren Indizien später schlussfolgern, dass der Befehl, die Flaschen in den Hof zu bringen um 00.34 Uhr gegeben wurde. Während sich die Polizisten immer heftiger gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben und die Öffentlichkeit beginnt, aufzuhorchen, werten die Staatsanwälte Filmaufnahmen von mehreren TV-Sendern aus, die sich zur Diasz Schule begeben hatten. Dabei stoßen sie auf bis dahin unbekannte Aufnahmen, die ein Jahr lang verborgen geblieben waren. Als der Sender erfährt, dass der scoop des Jahres in den eigenen Archiven liegt, beschließt er, damit auf Sendung zu gehen. Die Staatsanwaltschaft kommt dem aber zuvor. Sie ordnet die Beschlagnahme des Originals beim TV-Sender Primocanale an und verbietet, dass das Material ausgestrahlt wird. Die Aufnahmen zeigen, wie all die hohen Polizisten um den Beutel mit den soeben aus dem Jeep eingetroffenen Flaschen versammelt sind. Das 22 Sekunden lange Telefonat an Burgio, den Troiani anweist, ihm die Flaschen zu bringen, findet laut Verbindungsnachweis um 00.34 statt. Die filmisch festgehaltenen Handlungen setzen sieben Minuten später ein, um 00:41 Uhr und dreißig Sekunden und dauern fünf Minuten. Die erste Szene zeigt wie die mittlerweile angeklagten Polizeidirektoren um den blauen Beutel versammelt sind: Luperi, der mit seinem Vorgesetzten, dem Präfekten La Barbera telefoniert und Canterini, Mortola, Gratteri, Caldarozzi, Troiani. Luperi scheint in diesen Aufnahmen der zu sein, der das Sagen hat. Er befiehlt, disponiert, gestikuliert. Neben ihm steht Caldarozzi, Vize von Gratteri (Heute Chef der Antiterrorpolizei), der Beutel mit den Flaschen ist in den Händen Caldarozzis. Immer wieder schauen die beiden in den Beutel. Sie grinsen. Vor Caldarozzi steht wiederum Mortola, damals Chef der genuesischen Digos (politische Polizei), der die Flaschen aus dem Beutel zieht. Neben Mortola steht Murgolo, Vikar des Polizeipräsidiums von Bologna und etwas abseits sieht man den damals 40-jährigen Gratteri, der von der Front der ganz harten Mafiabekämpfung kommt und sich in ihr einen Namen gemacht hat. Etwas weiter weg steht Canterini, der einen Blick wirft. Troiani steht seitlich im Abseits von der Gruppe und schaut zu. Als Mortola die Flaschen aus dem Beutel nimmt, fangen fast alle an, zu telefonieren. Die Verteidiger von den Beschuldigten toben und drohen, doch hilft alles nichts: für die Staatsanwälte ist diese Versammlung im Hof der Beweis, dass die illegitimen Maßnahmen in jener Nacht in jenem Kreis abgesprochen wurden und auch der angebliche Steinhagel am früheren Abend soll nach ihren Erkenntnissen als Begründung für den Einsatz noch mal abgesprochen worden sein. Die damals offiziell kursierende Version der Polizei über den angeblichen Steinhagel lautete, dass am Abend des 21. Juli um 21,30 Uhr aus einer Gruppe von "ungefähr 200 Personen, von denen viele wie die black block schwarz gekleidet waren" heraus in der Nähe vom Eingang zum Hof von der Diaz Schule vier Polizeiautos, von denen zwei zivil waren, mit einem Stein- und Flaschenhagel angegriffen worden seien. In den Autos, Di Bernardini, Beamte der politischen Polizei Digos von Genua und von der Abteilung präventive Kriminalitätsbekämpfung. Daraus wird eine Gefahrenprognose konstruiert, die den Verdacht formuliert, dass sich in der Diaz-Schule "bewaffnete" Angehörige der "kriminellen Vereinigung Black Block" aufhalten. Damit soll der Einsatz begründet werden. Die Molotows sollen ihrerseits zusammen mit einer ebenfalls erfundenen Messerattacke auf einen Polizisten die Gewalt rechtfertigen und die Verhaftungen ebenso. Um den angeblichen Flaschen- und Steinhagel endgültig als Unwahrheit zu offenbaren werden die Staatsanwälte aber noch schwer kämpfen müssen. Erst im Mai 2003 wird engültig geklärt, dass es diese Steinwürfe auf ein Polizeiauto nie gab. Die Ermittlungen im Fall Diaz sorgen in jenen Monaten (Sommer/Herbst 2002) für manchen Schweißausbruch im Innenministerium und werden spätestens im Herbst durch ein immer gespalteneres Klima in der Staatsanwaltschaft stark gebremst. Es ist das Ermittlungsverfahren, welches die höchsten Etagen der italienischen Inneren Sicherheit und den italienischen Staat am stärksten in Bedrängnis bringt und wird bald das Verfahren werden, über das am wenigsten gesprochen wird. Im Oktober erreicht aber doch noch etwas die Öffentlichkeit, dass einmal mehr bestätigt, wie arglistig die Polizei gehandelt hat: mittlerweile gibt es vier Filmaufnahmen, die in Zusammenhang mit den Vorgängen auf dem Schulhof brauchbare Bilder liefern. Ein Detail kommt ans Licht, das die Spurensicherungsgruppe RIS der Carabinieri trotz der akribischen Auswertungsarbeit zuvor übersehen haben will. Der inzwischen berühmte Troiani hat sich bevor er sich in das Schulgebäude begeben hat, um die Flaschen zu deponieren, von seinen goldenen Dienstgradabzeichen befreit. Minuten später taucht er dann wieder mit Dienstgradabzeichen auf, als er mit der Truppe Canterinis nach Beendigung der Operation abmarschiert. Warum hat sich Troiani die Dienstgradabzeichen abgenommen? War es ein Dritter, der ihm dazu riet, oder handelte er auf eigene Faust? Eine schlichte "Leichtfertigkeit" kann es nicht gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft wird im Laufe der Verhandlungen im Vorprozess erstmals ihren aktuellen Kenntnisstand Preis geben. Die hier angeführten Ermittlungsergebnisse sind nur ein Bruchteil der Tatsachen in Zusammenhang mit den verleumderischen Konstrukten, mit denen der Richter sich in den kommenden Monaten befassen wird, um zu entscheiden, ob es für eine Anklage reicht. Es darf mit bis dato der Öffentlichkeit nicht preisgegebenen weiteren Details gerechnet werden. Der Tanz auf dem Vulkan wird also jetzt vor Gericht fortgeführt. von rf |
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